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Hauptwerbezeit 

 

 

Jason Artley brauchte Geld, und er brauchte es dringend. Der harte Bass hämmerte in seinen Ohren, aber er würde seine letzten Credits nicht dafür verschwenden, die Klopapierwerbung stummzuschalten. Fluchend wartet er darauf, dass der Klopapierhalter den Song endlich hinter sich bringen und das Papier ausspucken würde. Aus der Küche konnte er bereits die fröhliche, hohe Fiestelstimme der Kaffeemaschine hören, die ihren Werbejingle anstimmte. Immerhin hatten die Hersteller bei ihr etwas Mitleid gehabt – im Vergleich zum Klopapierhalter war ihre Stimme fast schon angenehm sanft. Endlich öffnete sich das kleine Fach neben ihm und gab ein paar Stück Toilettenpapier frei. Jason machte sich auf den Weg in die Küche. Kaffee würde helfen. 

Die Kaffeemaschine wies ihn schrill auf zwei neue Sorten hin, für die sich nun ein Gutschein in seinem DigiBudget befand. Bevor sie seine Tasse füllte, verkündetet sie noch fröhlich seinen aktuellen Kontostand: „Du beginnst deinen Tag mit einer Tasse Ibos-Best Instant, 120 Credits, und kannst bis heute Mittag sensationelle 20 Prozent sparen bei deiner nächsten Packung Ibos-Best-Double-Mocca-Vanille-Chilli.“ 

120 Credits. Verdammt. Das würde nicht reichen, um Lissa die Uhr zu schenken. Entschlossen kippte er den Kaffee schwarz hinunter, um sich die Unterhaltung mit dem Kühlschrank zu sparen. Es gab wohl nur einen Weg, genug Credits für Lissa beiseitezulegen: Er würde für den Rest der Woche ohne Adblocker unterwegs sein müssen.

 

Als er die Haustür hinter sich schloss, materialisierte sich sofort ein Milchmädchen neben ihm. „Guten Morgen, Jason! Ein guter Tag beginnt mit Landmilch Extra Skim! Das Kalzium ist wichtig für dich und …“, flötete sie mit fröhlich wippenden, blonden Zöpfen, während sie einen riesigen Strohkorb mit Milchpackungen in sein Gesichtsfeld schob. 

Hinter ihr erschienen bereits die nächsten StreetAd: ein großer Typ in einem grellroten Anzug. Er drängte das Milchmädchen zur Seite. Ein hässliches Knistern ertönte, als die beiden Hologramme sich berührten, und dann nahm der Anzugtyp sein ganzes Blickfeld ein.

„Jason, auch du kannst fliegen wie ein Adler – schon ab 500 Credits pro Monat. Der neue Luftgleiter …“

Jason holte tief Luft und schritt einfach durch ihn hindurch. Einen kurzen Moment lang fühlte er dabei ein stechendes, elektrisches Prickeln am ganzen Körper, aber zumindest musste er sich nun nicht den Rest der Werbebotschaft anhören. Wenn er vor seiner Schicht noch Lissas Geschenk besorgen wollte, durfte er keine Zeit verlieren. Vor ihm materialisierte sich bereits die nächste StreetAd: ein alter Mann mit einem imposanten, weißen Bart und einer Packung Alpenjodler-Bonbons in der Hand. Verflucht, er schien heute Morgen wirklich Zielgruppe für jeden Mist zu sein. Jason versuchte, sich an ihm vorbeizuschieben, aber der Alpenjodler war darauf vorbereitet und blockierte ihm geschickt mit seinem Wanderstecken den Weg. Dann eben mitten durch, entschied Jason. Er schloss die Augen und machte ein paar schnelle Schritte nach vor. Das stechende Prickeln war wirklich nichts, an das man sich gewöhnen konnte. Als er die Augen wieder öffnete, blickte er direkt in das strahlendweiße Grinsen des Alpenjodlers, der wohl darauf programmiert war, sich nicht so einfach abschütteln zu lassen. Jason stieß einen leisen Fluch aus und der Alpenjodler nutze die Gelegenheit, um etwas über Schweizer Bergluft in jeder Packung zu erzählen. Jason rieb sich die schmerzende Stirn. Der Typ hatte ihm wirklich eine ordentliche Ladung verpasst.

„Alles in Ordnung, Mann?“, hörte er eine vertraute Stimme neben sich. Sein Kumpel Ramon schob die Kapuze eines lässigen Hoodies zurück und machte ein besorgtes Gesicht. „Was ist denn los mit deinem AdBlocker?“, brüllte Ramon, um den Alpenjodler zu übertönen.

„Ich … ich hab ihn heute Morgen nicht aktiviert“, rief Jason und musste sich etwas zur Seite beugen, um Ramon zu sehen, denn der Alpenjodler hatte sich, mittlerweile begleitet von einer kleinen Ziege, zwischen ihnen aufgebaut und hielt ihm einen Packung Bonbons vors Gesicht.

„Warum, um alles in der Welt, tust du dir das an?“

„Heute ist Lissas Geburtstag und ich wollte ihr diese Uhr schenken, von der sie immer spricht. So eine mit ein paar echten Brillanten.“ 

Ramon stieß einen leisen Pfiff aus. Zumindest vermutete Jason das, denn der StreetAd übertönte ihn mühelos. „Echte Brillanten? Das kostet …“

Jason nickte, und bevor er antworten konnte, baute sich neben ihm eine Mariachi-Band auf und stimmte den Song der Chips-Werbung an. Die beiden Trompeter machten jede weitere Unterhaltung unmöglich.

Ramon fasste Jason am Arm und steuerte mit ihm, umringt von den entschlossenen Mariachis, auf ein Gebäude zu, das nur ein paar Schritte entfernt war.

„Chips-O-Chips! Crunch einfach mit! Chips-O-Chips sind der Hit! Chips-O-Chips …“, dröhnte es in Jasons Ohren. Unmöglich zu verstehen, was Ramon sagte, als er in Richtung Tür deutete. Jason beobachtete, wie sein Freund seine ID-Plakette vor das Sensorfeld neben der Tür hielt und sich die Glastür für sie öffnete. Die Mariachis versuchten unbeirrt ihnen zu folgen und Jason konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als sich einer nach dem anderen auflöste, sobald sie die Schwelle der Eingangshalle überschritten. Die riesige Eingangstür schloss sich mit einem leisen Zischen, und wunderbare Stille bereitete sich aus.

Jason blickte sich staunend um. Das hier war gewaltig! Chrom, Marmor und Silber glitzerten um die Wette, und die Halle war so hoch, dass er den Kopf weit in den Nacken legen musste, um über sich den Fluss zu sehen, der sich frei schwebend in eleganten Kurven in die Höhe wand. „Was ist das hier, Ramon?“, flüsterte er. Mit seinem Data-Miner- Overall fühlte er sich hier am falschen Ort. Im Grunde genommen hatte er noch nie irgendein Kleidungsstück besessen, mit dem er in diese Halle gepasst hätte.

„Willkommen bei Axtro Inc.“, erklärte Ramon mit einem breiten Grinsen.

Natürlich kannte Jason den Namen. Jedes Kind kannte die Namen der großen Companies, und Axtro Inc. war keine der großes Companies. Axtro Inc. war die Company, der die größten Companies gehörten.

„Wie, um alles in der Welt, hast du den Zutrittscode bekommen?“, fragte Jason. Als er den Droiden bemerkte, der vom anderen Ende der Halle auf sie zusteuerte, fügte er etwas leiser hinzu: „Sollten wir nicht wieder verschwinden?“.

Ramons Grinsen wurde noch breiter, und er erklärte: „Alter, das hier ist genau der Ort, an dem du sein möchtest. Es sei denn, du hast Lust, den Rest der Woche mit den StreetAds um die Wette zu laufen.“

Jason verzog bei dem Gedanken unwillkürlich das Gesicht. „Was ist der Plan? Was sollen wir hier tun?“

In diesem Moment hatte der silbern glänzende Droide sie erreicht und vollführte mit seinen Antennen eine höfliche Verbeugung in Richtung Ramon. „Einen wundervollen guten Morgen bei Axtro, Mr. Delinger“, erklärte er mit sanfter Stimme. „Möchten Sie an einem weiteren Consumer-Test teilnehmen?“.

Ramons Grinsen wurde noch breiter und er nickte zustimmend. „Wie mein metallischer Freund schon gesagt hat – Axtro sucht ein paar Kunden für Tests. Die Klamotten hier – alles, was ich dafür tun musste war, sie ein paar Tage zu tragen und dann einen Haufen Fragen darüber zu beantworten, wie toll ich sie finde. Das, mein Freund, sind leicht verdiente Credits. Nichts gegen ehrliches DataMining – aber das hier, das ist die Lösung für dein Problem“. Dann wandte er sich dem Droiden zu: „Klar will ich. Was steht an, Kleiner?“

„Steht an … Steht an was, Sir?“, antwortet der Droide und fuhr einen Sensorarm aus, auf der Suche nach einem Hindernis hinter sich.

Ramon klopfte ihm freundschaftlich auf den Kopf. „Keine Sorge, Kleiner. Was ich sagen wollte: Welche Consumer-Tests kannst du uns anbieten?“

„Heute Nachmittag findet um 14 Uhr ein Test für Abstoßungshemmer bei Retinatransplantationen statt, um 15 Uhr ein Consumer-Test für den neuen Banana-Milkshake BAnoRAma und um 16 Uhr eine Verbraucherverhaltensstudie für das Apio Body Spray.“

Ramon verzog ein wenig das Gesicht. „Lissa wird wohl nicht begeistert sein, wenn dir ein oder zwei Augen fehlen. Obwohl sowas meistens wirklich gut bezahlt wird. Wie wäre es mit dem Milkshake?“ Er wandte sich dem Droiden zu: „Was zahlt ihr für den Banana-Milkshake?“

„Die Entschädigung für die Teilnahme am Consumer-Test beträgt 35 Credits und 2 Packungen Banana-Milkshake Banio-Double.“

Ramon schüttelte den Kopf. „Das ist mal wieder typisch. Sobald sie dir nicht den halben Kopf dafür absägen, werden sie ein bisschen knausrig. Wie sieht es aus mit dem Axio Body Spray, was gibt’s dafür?“

„Die Entschädigung für die Teilnahme am Axio-Body-Spray-Verbraucherverhaltenstest beträgt 5.500 Credits.“

Ramon verzog anerkennend das Gesicht. „Das klingt doch schon besser. Vermutlich stinkt das Zeug zum Himmel, aber für 5.500 Credits können sie mich auch in Stinktiersauce baden. Bist du dabei, Kumpel?“

Jason brachte nicht mehr als ein Nicken zustande. 5.500 Credits waren mehr, als er in einem Jahr verdiente. In einem guten Jahr. „Was muss ich dafür tun?“

„Ich erledige die Formalitäten mit unserem kleinen Freund hier. Ist immer ein Haufen Papierkram. Sei einfach um 16 Uhr wieder hier.“

 

Als Jason sich atemlos kurz nach 16 Uhr an die Glasscheibe von Axtro lehnte, war er bereit, eine ganze Menge mehr zu tun, als sich mit jedem Bodyspray der Welt überschütten zu lassen. Natürlich hatte er nicht vorgehabt, zu spät zu kommen, aber die verdammten StreetAds hatten den Weg von der Schwebebahn hierher zu einem Spießrutenlauf gemacht. Zwei von ihnen versuchten immer wieder, sich bei ihm unterzuhaken und warben in knappen Bikinis für Airconditioner, eine ältere Dame mit strengem Blick legte ihm schon seit einer halben Stunde nahe, endlich mehr für seine Fremdsprachenkenntnisse zu tun, und das kleine Milchmädchen gab ebenfalls noch einmal sein Bestes. Jason hielt sein Sensorpad vor das Scannerfeld. Hoffentlich hatte Ramon daran gedacht, ihm einen Zugangscode zu beschaffen. Sein Schädel würde keine Minute länger hier draußen verkraften. Als sich im nächsten Augenblick die Glastür öffnete, blickte er sich noch einmal mit einem kleinen Grinsen zu den StreetAds hinter sich um und trat über die Schwelle. Und dann war da endlich Stille. Nichts als Stille. Allerdings auch keine Spur von Ramon. Selbst von dem Droiden war nichts zu sehen.

„Hallo?“, rief Jason unsicher und fühlte sich in der riesigen Halle ein wenig verloren. Er war zu spät. Verflucht noch mal! Hatten diese verdammten Plagegeister ihm tatsächlich seine Chance auf fünfeinhalbtausend Credits vermasselt?

Etwas bewegte sich am anderen Ende der Halle, und als Jason den Droiden von heute Morgen erkannte, beeilte er sich, dem kleinen Kerl entgegenzugehen.

„Mr. Artley, wenn Sie mir bitte folgen wollen?“, verkündete der Droide mit einer Stimme wie Samt.

Jason folgte ihm zu den Fahrstühlen. Das wäre mal jemand, von dem er sich den Kaffeejingle morgens anhören würde, ohne gleich Kopfweh zu bekommen. Aber Jason wusste natürlich, dass es einen Grund hatte, warum die Stimmen der Haushaltsgeräte so schrill klangen. Aufmerksamkeit. Darum ging es. Die Companies wollten nicht riskieren, dass man ihre Botschaft überhörte.

Der Aufzug glitt lautlos nach oben, und als sich die Türe öffnete, hatte Jason das Gefühl, mitten in einem geschäftigen Bienenschwarm gelandet zu sein. Ein Haufen weißgekleideter Männer umringte ihn sofort und ließ ihm kaum Zeit zum Luftholen. Man schob ihn zu einer Liege mit einem Haufen Geräte. Wie es aussah, wollte die Axtro Inc. sichergehen, dass die Teilnehmer des Consumer-Tests in Bestform waren. Jemand nahm ihm Blut ab, während zwei weitere Weißkittel ihn an eines der Geräte anschlossen. Es wirkte wie eine Kreuzung aus einem altmodischen Helm und einem sehr bunten Weihnachtsbaum.

„Das Ganze dauert jetzt wirklich nur mehr einen Moment. Es wird vielleicht ein leichtes Prickeln zu spüren sein“, erklärte einer der Weißkittel, während er den Helm befestigte. „Ein leichtes Prickeln – und dann? Was macht dieses Ding?“, fragte Jason verwirrt.

Der Mann warf ihm über den Rand seiner Brille einen strengen Blick zu. „Es löscht Ihre Erinnerungen. Steht alles in den Unterlagen.“

„Unterlagen? Ich … ich habe sie nicht gelesen. Mein Freund …“, begann Jason und wurde von dem Wissenschaftler unsanft zurück auf die Liege gedrückt.

„Mr. Artley, wir haben jetzt wirklich keine Zeit mehr. Das Marktforschungsteam ist bereit, und wir brauchen den Platz hier für die nächsten Löschungen.“

„Was ... was wird gelöscht …“, murmelte Jason, während sich tatsächlich ein leichtes Prickeln über seiner Stirn ausbreitete. Müde. Er fühlte sich seltsam müde. Er sollte … Er war sich nicht mehr sicher, was er sollte.

„Mr. Artley? Wissen Sie, wo Sie sich befinden?“, fragte ihn eine junge Frau in einem weißen Kittel. Eine Ärztin? Wo war er? Langsam tauchte die Antwort in Jasons Gedächtnis auf: Axtro Inc. Er war hier … für …

Die junge Frau tippte mit dem Finger leicht und offensichtlich ungeduldig gegen die Seite ihres Notepads. „Mr. Artley? Sie befinden sich in Testraum 47 der Axion Company. Der Produkttest für das Axion Body Spray beginnt in wenigen Minuten.“

Jason setzte sich langsam auf, tat sein Bestes, das Schwindelgefühl zu unterdrücken, und sah sich um. Der Raum war mit zehn, vielleicht auch zwölf Liegen ausgestattet und um ihn herum setzten sich nach und nach einige andere junge Männer langsam auf. Drei Liegen weiter war … Ramon! Jason hob die Hand, um auf sich aufmerksam zu machen, aber seinen Kumpel schien es noch heftiger erwischt zu haben. Ramon ließ sich mit einem leisen Stöhnen wieder auf seine Liege sinken und dann versperrte die Weißkittelträgerin Jason den Blick.

„Wenn Sie so weit sind, Mr. Artley? Stellen Sie sich bitte dort drüben auf, entlang der weißen Bodenmarkierung.“

Jason tat, wie ihm geheißen, und nach und nach gesellten sich die übrigen Männer zu ihm.

„Weißt du, was sie hier mit uns vorhaben?“, fragte Jason den Mann neben sich. Vorsichtshalber sprach er nicht zu laut.

„Irgendwas mit einem Spray. So gut, wie sie das hier bezahlen, wird es wohl kein Spaziergang. Aber für Fünfeinhalb tu ich ´ne Menge.“

„Wer nicht, Kumpel. Wer nicht“, flüsterte Jason und beobachtete, wie die Weißkittel einem Typen in Anzug respektvoll Platz machten.

„Meine Herren, mein Name ist Mr. Smith und ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit“, richtete der Anzugträger das Wort an sie. „Um die Wirkung des neuen Axion Body Spray vollkommen objektiv zu testen, haben wir einen Teil Ihrer Erinnerungen gelöscht. Hauptsächlich Ihre Erfahrungen mit Vertreterinnen des anderen Geschlechts. Wir werden nun einige Kandidatinnen hereinbitten. Eine der jungen Damen trägt das neue Axion Body Spray, der Rest ein Placebo. Um unser Produktversprechen zu halten, möchten wir mit diesem Test prüfen, ob die Trägerin des Axion Body Sprays tatsächlich dank des neuen Dufts attraktiver bewertet wird. Ich möchte Sie jetzt bitten, ganz unbeeinflusst von Ihren bisherigen Erfahrungen die für sie attraktivste Kandidatin zu bewerten. Nach dem ersten Durchgang werden Ihre Erinnerungen noch einmal gelöscht und eine der anderen Damen mit dem Axion Body Spray ins Rennen geschickt. Insgesamt gibt es fünf Durchgänge. Das wird uns erlauben, ausreichend Daten zu sammeln.“ Mit einem kleinen Zwinkern fügte er dann hinzu: „Und nun ans Werk – wir haben heute schließlich noch alle etwas vor, nicht wahr?“

Jason hatte das Gefühl, dass er sogar etwas sehr Wichtiges vorhatte. Aber was? Sein Kopf fühlte sich an, als wäre er voller nasser Watte, und es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Er konnte sich allerdings noch sehr klar erinnern, dass für ihn eine Menge Credits auf dem Spiel standen, und wenn er schon mal hier war, wäre es wohl dumm, diese Chance nicht zu nutzen.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Labors öffnete sich eine Trennwand und eine Gruppe junger Frauen betrat den Raum. Ein wenig unsicher standen sie herum. Die meisten wirkten mindestens ebenso mitgenommen, wie Jason sich fühlte. Mr. Smith verteilte eine Reihe Touchpads, und Jason begann, gemeinsam mit den anderen die Fragen darauf zu beantworten.

 

Als er gegen Abend mit satten 5.500 Credits mehr auf seinem Konto das Gebäude verließ, wurde er sofort umringt von plappernden StreetAds. Eilig griff er nach seinem Sensorpad, um den AdBlocker zu aktivieren. Was, zum Teufel, war nur los mit ihm heute? Wieso war er auf die verrückte Idee gekommen, ohne Adblocker das Haus zu verlassen? Jason wählte die 200-Credit-Variante, wie gewöhnlich. Damit wäre er bis zum Wochenende sicher vor den verdammten Plagegeistern. Die StreetsAds um ihn herum lösten sich mit einem leisen Knistern auf und Jason sah, wie Ramon in diesem Augenblick ebenfalls auf die Straße trat.

„Mann, Mann, Mann – das war vielleicht ein Ding! Ich fühle mich, als hätte ich Eiswürfel im Hirn“, erklärte Ramon und klopfte Jason freundschaftlich auf die Schulter. 

„Hey, die Sache war deine Idee!“, gab Jason zurück. Da war er sich sicher, obwohl er das Gefühl hatte, dass ihm dabei irgendetwas fehlte in seiner Erinnerung.

„Nimm’s nicht so schwer. Wir sind jung, haben fünfeinhalbtausend Credits am Konto und der Abend fängt gerade erst an. Ein paar von uns gehen noch einen trinken, bist du dabei?“, fragte Ramon.

Jason schüttelte den Kopf. „Ich … denke nicht“, antwortete er. Alles, was er jetzt wollte, war sein Sofa. Und das Erste, was er sich um diese 5.500 Credits leisten würde, wäre mindestens 24 Stunden Ruhe vor den Werbejingles des Kühlschranks. Bei dem Gedanken, sich ein kühles Bier nach dem anderen holen zu können, ohne auch nur eine einzige quäkende mexikanische Fanfare, beschleunigte er seine Schritte. So verrückt die ganze Sache auch gewesen war, allein das war es wert gewesen.

 

Als er wenig später die Füße hochlegte es sich mit dem ersten Carlsbitter Superpils gemütlich machte, fühlte er, wie die ganze Anspannung des Tages von ihm abfiel. Sogar seine Kopfschmerzen waren, trotz des noch immer ein wenig ungewohnten Wattegefühls, ziemlich erträglich. Allerdings nur genau so lange, bis er eine hohe Stimme hinter sich hörte.

 

„Du Mistkerl! Ich wusste, dass du wieder meinen Geburtstag vergessen würdest!“